Kolonialismus, Mission und Rassismus. Herausforderungen für die politische Bildung
In den letzten Jahren und insbesondere seit den Entwicklungen im Sommer 2020 im Zuge der Black Lives-Matter-Bewegung ist das Thema „Kolonialismus“ sowie die deutsche Kolonialgeschichte langsam, aber beständig weiter in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen. Erstmalig hat sich eine deutsche Bundesregierung dazu bekannt, die Verbrechen der deutschen Kolonialdiktatur neben dem Gedenken an den Holocaust sowie die Erinnerung an die deutschen Diktaturen als festen Bestandteil der deutschen Gedenkkultur zu installieren. Museen widmeten und widmen sich in Ausstellungen der Kolonialzeit. Parallel dazu arbeiten sie – oft im Hintergrund – immer stärker ihre bestehenden Altsammlungen / Provenienzen auf, organisieren Restitutionen geraubter Kunst- und Alltagsgüter, sakraler Objekte bzw. die Rückgabe menschlicher Überreste.
Schwerpunkt der Diskussionen, die einen Widerhall in der Öffentlichkeit finden, sind aber vor allem Themen der Dekolonisation der Sprache sowie die dekolonisatorische / antisemitische / antirassistische Auseinandersetzung mit historischen Persönlichkeiten (z. B. Marx, Kant) und deren Platz in unserer Geschichte sowie im Straßenbild (Straßennamen, Denkmäler, Ehrenbürgerschaften etc). Diese Themen sind es vor allem, die sich auch in den Medien wiederfinden.
Mit der Intensivierung der politischen und kulturellen Debatte um die koloniale Vergangenheit Deutschlands hat sich auch die Kontroverse in der Debatte verschärft. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren das Thema „Kolonialismus“ und dessen Aufarbeitung, insbesondere die deutsche Kolonialgeschichte, sowie damit mittel- und unmittelbar zusammenhängenden Themenkomplexe (Restitution von un-/rechtmäßig erworbenen Museumsobjekten wie den sogenannten Benin-Bronzen , der Beitrag der Mission zur Etablierung kolonialer Machtstrukturen, die historischen Wurzeln des Rassismus im Kolonialismus etc.) in der politischen Bildung einen größeren Platz einnehmen wird als bisher.
Weiterbildungsreihe für WeiterbildnerInnen
Um politischen BildnerInnen vor allem mit katholischem und evangelischem Hintergrund eine Orientierung zum gegenwärtigen Stand der Diskussion zu geben, wird im zweiten Halbjahr 2021 eine vierteilige Workshopreihe durchgeführt. Mit der Workshopreihe wird dabei weniger das Ziel verfolgt, über einzelne singuläre historische Ereignisse aus der Geschichte des Kolonialismus zu informieren, sondern Wirkungsweisen und Verflechtungen des Kolonialismus als Geschichte der europäischen globalen Expansion und den zugrundeliegenden machtbasierten kulturzivilisatorischen und religionsspezifischen Aushandlungsprozessen zu begreifen. Die daraus folgenden Herausforderungen in einer polarisierten Öffentlichkeit sowie Inhalte und Methoden für eine aktuelle politische Bildungsarbeit in einer globalen Perspektive werden diskutiert.
Zielgruppe des Projekts sind politische BildnerInnen, die sowohl mit Jugendlichen als auch mit Erwachsenen und SeniorInnen zusammenarbeiten. Die Anzahl der Teilnehmenden ist auf 15 begrenzt.
Folgende Themenworkshops sind geplant:
Themenworkshop I
Kolonialismus und europäische Expansion. Einblicke in die Geschichte des europäischen Kolonialismus
Online-Workshop, ca. 3 Stunden
Donnerstag, 16. September 2021, 09.00 – ca. 13.00 Uhr
Inhalte: Vor dem Hintergrund der Themenvielfalt und der Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus wird sich der Schwerpunkt auf die Entstehungsbedingungen des Kolonialismus im Zuge der globalen Expansion und dem Ausbau internationaler und interkontinentaler Beziehungsgeflechte konzentrieren.
ReferentInnen und Vortragsthemen: coming soon
⦁ Ursula Lehmkuhl, Professorin für Internationale Geschichte, FB III, Universität Trier
⦁ Mathias Hack, Universität Leipzig, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Lehrstuhl für Geschichte des 19.-21. Jahrhunderts)
Themenworkshop II
Kolonialismus und Mission. Die Ambivalenz des Wirkens von Mission in der Vergangenheit und der Zukunft
Online-Workshop, ca. 3 Stunden
Mittwoch, 13. Oktober 2021, 09.00 – 12.30 Uhr
Inhalte: Der Workshop widmet sich der Ambivalenz missionarischer Tätigkeiten. Anhand von Themenvorträgen werdenBeiträge der Mission bzw. von Missionsakteuren zur kolonialen Machtsicherung, aber auch zur interkulturellen Verständigung und zur ethnologisch-sprachlichen Erforschung vorgestellt und diskutiert.
ReferentInnen und Vortragsthemen:
⦁ Kolonialismus und Mission – eine Verflechtungsgeschichte
Dr. Karolin Wetjen, Wissenschaftliche Mitarbeiterin FB 05: Neuere und Neueste Geschichte Universität Kassel
⦁ Mission als interkulturelle Kontaktzone
Friederike Dillenseger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsfeld „Missionsgeschichte des Instituts für Weltkirche und Mission (IWM) der Deutschen Bischofskonferenz an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen Frankfurt am Main
⦁ Unter Spannung. Auf dem Weg zu einer de-kolonisierten Mission. Ein Bericht aus der Praxis der Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit
Ravinder Salooja, Direktor des Evangelisch-Lutherischen Missionswerkes Leipzig
Themenworkshop III
Kolonialismus und Rassismus. Genese und Fortschreibung rassistischer Ordnungen und Begrifflichkeiten
Online-Workshop, ca. 3 Stunden
Mittwoch, 03. November 2021, 09.00 – 12.30 Uhr
Der Workshop widmet sich der wechselseitigen Beziehung zwischen Rassismus und Kolonialismus. Anhand von Themenvorträgen werden Beiträge des Rassismus zur Genese kolonialer Machtstrukturen (Entwicklung rassistischer Kategorisierungen, Konzepte der Dissimilation und Assimilation der unterworfenen Gesellschaften, koloniale Geschlechterordnungen) vorgestellt.
ReferentInnen und Vortragsthemen:
⦁ Dr. Dörte Lerp, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin (angefragt)
⦁ Dr. Hilke Thode-Arora, Leiterin der Abteilung Ozeanien / Referentin für Provenienzforschung Museum Fünf Kontinente München
⦁ Angebote einer kolonialhistorisch-sensiblen Vermittlung der protestantischen Missions- und Forschungstätigkeit der Herrnhuter Brüdergemeine
Silke Piwko, Standortleiterin / Bildung und Ausstellung des Völkerkundemuseums Herrnhut
Themenworkshop IV
Kolonialismus, Rassismus und Mission – Herausforderungen und Perspektiven für die politische Bildung
Präsenz-Workshop
Dienstag, 30. November – Mittwoch, 01. Dezember 2021
Inhalte: Der Workshop dient der Erarbeitung von Perspektiven für die politische Bildung im Kontext aktueller politischer Entwicklungen sowie neuer Aspekte der Forschungen zu den Themen der vorangegangenen Workshops. Neben Inputs zu didaktischen Prinzipien und inhaltlichen Themenfeldern, dies sich u.a. auch aus den Diskussionen der Workshops I-III ergeben, werden Best Practise–Beispiele aus der politischen Bildung in Deutschland bzw. aus der Bildungsarbeit der Teilnehmenden dargestellt und diskutiert. Zugleich werden sich die Teilnehmenden zu möglichen populistischen Argumentationssträngen austauschen und Gelingensbedingungen für eine erfolgreiche politische Bildungsarbeit innerhalb einer polarisierten und radikalisierten Öffentlichkeit erarbeiten. Der Workshop beinhaltet eine Exkursion in das Völkerkundemuseum Herrnhut mit thematischer Führung zu Angeboten einer kolonialhistorisch-sensiblen Vermittlung der protestantischen Missions- und Forschungstätigkeit der Herrnhuter Brüdergemeine.
ReferentInnen und Vortragsthemen: coming soon
Flyer
Kontakt
Dr. Mathias Piwko
Internationales Begegnungszentrum St. Marienthal
02899 Ostritz, Marienthal 10
Tel.: 0049-35823-77 254
E-Mail: piwko@ibz-martienthal.de
Die Veranstaltungen werden im Rahmen des Projekts „Mehrwert Verantwortung – Politische Erwachsenenbildung in neuen Formaten“ (Link hinterlegen: https://www.aksb.de/themen/projekte/mehrwert-verantwortung-politische-erwachsenenbildung-in-neuen-formaten/) durchgeführt. Projektträger ist die Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (AKSB). Das Projekt wird gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung.